Haltern am See

 

Man muss nicht immer um die halbe Welt fliegen, um den Alltag ganz weit hinter sich zu lassen und Neues zu entdecken. Es geht auch ohne viel Vorbereitungen und nach nur kurzer Anreise erwartet uns ein sonniger und warmer Tag in Haltern am See. Der Ort, ganz im Norden des Ruhrgebiets, profitierte nicht von der Montanindustrie, sondern von seiner Lage am Wasser.

Der Halterner Stausee entstand 1930 durch Aufstauung der Stever und des Mühlenbachs. Auf einer Fläche von 300 Hektar werden rund 20 Millionen Kubikmeter Wasser gestaut, das zur Wassergewinnung genutzt wird. Die Talsperre versorgt viele Gemeinden zwischen Duisburg und Münster mit Trinkwasser. Kleinere Bereiche sind als Freizeit- und Wassersportgebiet ausgewiesen.

Wir haben uns für den bewachten Parkplatz am Strandbad entschieden. Das Seebad lockt mit einem ca. 1 km langen Natursandstrand. Der mit Seilen abgesteckte Schwimmbereich endet 150 m vom Ufer, weiter draußen kreuzen Segelboote und das Fahrgastschiff »Möwe. Wir sind jedoch nicht zum Baden hierin gefahren, sondern haben unsere Fahrräder huckepack mitgebracht und wollen Haltern und die Umgebung per Drahtesel kennenlernen.

Nach einem kleinen Plausch mit dem Parkplatzwächter, der uns erzählt, das Radwandern am See immer beliebter wird, setzen wir uns auf Rad und wollen die „Grüne Lunge“ des Ruhrgebiets selbst erkunden.

Immer am Stausee entlang führt der 10 km lange Rundweg. Nach wenigen Minuten haben wir die Seeterrassen mit dem gleichnamigen Restaurant erreicht. Hier befindet sich auch ein Anleger für das Fahrgastschiff „Möwe“, mit dem man vom Wasser aus die Natur entdecken kann. Doch auch von den zahlreichen Bänken entlang der kleinen Uferpromenade haben wir einen schönen Blick über den See.

Bei unserer Weiterfahrt kommen wir an dem urigen Biergarten „Jupp unner de Böcken“ vorbei. Gleich sind wir uns einig, hier lassen wir am Abend unsere Fahrradtour ausklingen. Für uns geht es jetzt erst einmal vorbei an der großen Außengastronomie und einem Kletterpark, danach durchfahren wir einen kleinen Wald, doch immer wieder wird der Blick aufs Wasser frei.

Dem uferbegleitenden Rundweg 169 folgend, kommen wir zu einem Bootsverleih und überlegen, ob wir uns den idyllisch gelegenen See einmal aus der Bootsperspektive ansehen sollten. Der verschlungene See hat viele kleine Buchten, die mit einem Boot sicherlich noch besser zu erkunden sind, als mit unserem Fahrrad.

Wir entschließen uns jedoch für heute unsere Tour auf 2 Rädern fortzusetzen und gelangen zur Stadtmühlenbucht, wo die Stever in den See fließt. Diese Bucht blickt auf eine lange Geschichte zurück. Auf dem Gelände der Bucht standen früher tatsächlich mehrere Mühlen. Dort wo sich heute noch das Lokal “Stadtmühle” befindet, stand seinerzeit zum Beispiel die Halterner Kornmühle, die bis zur Aufstauung der Stever in Betrieb war.

Das Lokal Stadtmühle, Hotel, Restaurant und Tanzlokal hat eine schöne Außenterrasse direkt am See mit Blick auf den Segelhafen "Am Nordufer", in dem zahlreiche Boote vor Anker liegen. Doch damit nicht genug, mit dem geplanten „Wassermodell“ sollen verborgene Potentiale der Stadtmühlenbucht geweckt werden und zu einem Erlebnisraum am Wasser umgestaltet werden.

Von hier aus machen wir einen Abstecher auf dem straßenbegleitenden Radweg in das idyllische Dörfchen Haltern-Sythen und erreichen recht mühelos das Schloss Sythen oder besser die Reste vom Schloss.

 

Wunderschön im Grünen gelegen lädt eine gemütliche Sitzlandschaft vor dem Schloss zu einer Brotzeit ein.

 

Das Schloss Sythen ist hervorgegangen aus einer germanischen Wallburg und wurde 758 erstmals erwähnt. Verschiedene Adelsfamilien bewohnten das Schloss im Laufe der Jahrhunderte.


966 wurde Haus Sythen von seinem letzten Besitzer, dem Grafen von Westerholt, verkauft. Nach einer Nutzung als Kindererholungsheim verfiel die Anlage. Die Stadt Haltern erwarb 1989 die Reste von Schloss Sythen. Von 1989 bis 2001 wurden die noch erhaltenen Gebäude – Kapelle und Torhaus – restauriert.

Heute ist das Schloss beliebt für Ausflüge und wer seine standesamtliche Hochzeit in Haltern plant, der kann entweder in einem der Rathäuser heiraten oder im Schloss Sythen - die letztere Variante wählen viele Paare, da sie einfach ein beeindruckendes Ambiente bietet, denn in der Kapelle finden die standesamtlichen Trauungen statt. Zwischen Torbogen und Kapelle liegt eine großzügige Grünfläche, die in den Sommermonaten von frisch vermählten Paaren für schöne Hochzeitsfotos genutzt wird.

Nicht weniger romantisch liegt auf der anderen Straßenseite die Syhtener Mühle an der Stockwiese. Diese Mühle entstand vermutlich gleichzeitig mit dem Wasserschloss Sythen im 12. Jahrhundert. Sie wurde als Korn- und Ölmühle errichtet. Noch bis1954 wurde hier Korn gemahlen.

Der Heimatverein Sythen und der örtliche Angelverein bauten das Gebäude zu einer Begegnungsstätte aus. Jeden Donnerstagnachmittag wird sie von den Mühlenfrauen des Heimatvereins als Cafe geöffnet. Das Wasserrad wird von einem aufgestauten Arm des Haltener Mühlenbachs gespeist und treibt inzwischen ein kleines Wasserkraftwerk an. Bei 1600 Liter Wasser pro Stunde liefert es 23 KW, die in das öffentliche Stromnetz eingespeist werden.

Im weiteren Verlauf führt unsere Fahrradtour durch eine reizvolle und abwechslungsreiche Wald- und Wiesenlandschaft. So entdecken wir auf einer Wiese einen alten baufälligen Schuppen. Durch die Linse der Kamera offenbart sich das Objekt ganz anders und durch die momentane Inspiration hat Manfred auf den Auslöser gedrückt.

Die nächste Pause machen wir auf der Brücke über dem Mühlenbach. Es ist still und schön, nur das leise Plätschern und das Zwitschern der Vögel sind zu hören. Der Mühlenbach ist heute noch in einem vergleichsweise naturnahen Zustand. Die Sonne steht senkrecht am Himmel. Ihre Strahlen fallen funkelnd bis auf den Grund des kleinen Bachs, der in gewundener Form dem Halterner See zu fließt.

 

Von hier ist es nicht mehr weit zur „Großen Teichsmühle“. Diese Mühle steht seit 1992 unter Denkmalschutz, weil der Wassermühlenkomplex bedeutend für die Geschichte des Landes ist. Das 1115 im Herzen des Münsterlandes erbaute Mühlengebäude diente über Generationen als bedeutende Öl- und Getreidemühle. Alle Bewohner des Kirchspiels Dülmen mussten ihr Getreide in dieser Mühle malen lassen und die Einnahmen erhielt der Burggraf von Dülmen.

Der Mühlenbetrieb wurde 1898 eingestellt. Von der ehemaligen Doppelwassermühle stehen heute nur noch zwei alte Mühlengebäude, welche mit dem alten Wehr gut erhalten sind. Malerisch sind die gepflegten Teichanlagen am Mühlenbach, direkt am gleichnamigen Hotel mit großem Sommergarten.

Nach dem Halt an der Wassermühle fahren wir weiter zum Silbersee III, der aus dem ehemaligen Abbaugelände des Quarzsand-Tagebaus entstanden ist. Der Landstrich, in dem der Silbersee III liegt, wird im Volksmund auch Karnickelhausen genannt, aufgrund einer früheren Kaninchenplage. Auf einer Fläche von 127 ha wurde hier zwischen 1951 und 1992 bis zu einer Tiefe von 26 m Quarzsand abgebaut.

Der See dient heute als Naherholungs- und Naturschutzgebiet. Im Rahmen der Rekultivierungsmaßnahmen wurde der 4,5 km lange Rundweg angelegt, den wir nun befahren. Zuerst haben wir den See nur durch die Bäume hindurch erspähen können, doch dann stellten wir fest, dass von unserem Weg immer wieder Stichwege hinunter zum Wasser führten, die mit Aussichtsplattformen und Rastplätzen einen ganz besonderen Ausblick auf den See freigaben. Der See beherbergt eine reiche Anzahl bedeutungsvoller Pflanzen und Tiere und ist der stillen Erholung vorbehalten.

Es ist ein wunderschöner Rundweg, auf dem wir an diesem Werktag fast ganz alleine sind. Immer wieder suchen wir uns ein idyllisches Plätzchen, um ganz in die Natur eintauchen zu können. Langsam vergisst man die Umgebung und das Ufer verwandeln sich in scheinbar unberührte Wildnis, nur Wasservögel dominieren die Geräuschkulisse.

 

Nach soviel Natur fuhren wir nun zurück zum Haltener Stausee, um auch der nahegelegenen Altstadt mit historischem Ambiente einen Besuch abzustatten. Besonders anziehend präsentiert sich die Stadt rund um den Marktplatz mit dem historischen Rathaus.

Das "Alte Rathaus" wurde 1575 - 1577 an der Nordseite des Marktplatzes mit Renaissancegiebeln erbaut. Aufgrund erheblicher Schäden im Zweiten Weltkrieg wurde es 1948 bis 1952 in vereinfachter Form wiedererrichtet. Es ist ein zweigeschossiges Gebäude. Das Erdgeschoss besteht aus vier Spitzbogenarkaden. Es beherbergt heute das Standesamt, die Stadtagentur und die Tourist-Information. Am Giebel zur Marktseite befindet sich ein Glockenspiel, ein Geschenk der Stadtsparkasse zum 700. Geburtstag der Stadt im Jahre 1989. Zu hören ist das Glockenspiel täglich um 10.01 Uhr, 12.15 Uhr, 16.01 Uhr und um 19.07 Uhr. Die Vorderfront des alten Rathauses ziert das Halterner Stadtwappen sowie eine Sonnenuhr.

Sehenswert ist auch der schöne Brunnen auf dem Platz. Dieser Brunnen erinnert an die vormals hier vorhandene Schwengelpumpe, die bis 1907 der Wasserversorgung diente. Die bronzene Figurengruppe schuf der Halterner Künstler Helmut Schlüter im Jahre 1988.

Gegenüber des "Alten Rathauses" und dem Brunnen steht die St. Sixtuskirche, Halterns Hauptkirche. Sie wurde 1877 im neugotischen Stil errichtet und beherbergt bedeutende historische Werke mittelalterlicher Kunst. Das imposante, sagenumwobene Gabelkruzifix aus dem frühen 14. Jahrhundert führt alljährlich im September die Kreuzerhöhungsprozession an, deren Tradition bis ins Jahr 1736 zurückgeht.


Der Marktplatz ist Treffpunkt für Jung und Alt, für Einwohner und Besucher der Stadt. Er wurde in den Jahren 1983/84 "verkehrsfrei" gestaltet und bietet zahlreiche Cafés, Eisdielen und Restaurants. Den Verlockungen wiederstehend setzen wir unseren Stadtbummel jedoch erst einmal fort und gelangen zum Merschtor und der Brunnenskulptur.

Die hier von dem benachbarten Geldinstitut als Geschenk anlässlich des 700. Stadtgeburtstages im Jahre 1989 errichtete Brunnenplastik des Raesfelder Künstlers Hermann Kunkler erinnert an den sogenannten "Essener Überfall" im Jahre 1652 an dieser Stelle. Bei der Fundamentlegung wurden Mauerreste des alten Stadttores gefunden.

Unser Altstadtrundgang zeigt uns viele kleine und große Sehenswürdigkeiten und unser Reiseführer informiert uns über die 2000 Jahre alte Geschichte der Stadt. Als Zeugnis der Geschichte stehen ein Rest der Stadtmauer aus dem 16. Jahrhundert und der "Siebenteufelsturm". Im Rahmen der Stadtbefestigung wurde das Bauwerk 1502 errichtet. Er ist als letzter Rundturm von der einstigen Stadtbefestigung übrig geblieben. Die Herkunft des Namens ist bis heute unbekannt. Der Teich mit dem "Holzweg" erinnert heute an den alten Stadtgraben, der einst die ganze Stadt umschloss und aus der Lippe gespeist wurde.

 

Zum Abschluss unserer Stadtbesichtigung genießen wir in einem der zahlreichen Straßencafés noch einen Eisbecher. Danach fahren wir zur Staumauer der Halterner Talsperre.

Von der Brücke haben wir eine schöne Sicht auf das Stauwehr am Abfluss der Talsperre. Das Wasser zur Trinkwasserversorgung wird nicht direkt aus der Talsperre, sondern als versickertes und gefiltertes Grundwasser entnommen. Deshalb sind Freizeitaktivitäten auf dem Stausee erlaubt.

Zum Abschluss unserer Fahrradtour geht es noch auf Entdeckungsreise in das Naturschutzgebiet Westruper Heide. Eine kleine eindrucksvolle Erholung vom Sattel bietet das über 10 km lange Wegenetz. Da durch dieses Gebiet überwiegend Sandwege führen, können wir nur zu Fuß (Radfahren verboten) die einzigartige Landschaft erkunden, die sich von Ende Juli bis Mitte September in ein wahres Blütemeer verwandelt. Die immergrüne Heide bedecken nun dichte Blütentrauben in purpur, weiß oder altrosa. Und so leuchten die kleinen Hügel und die weiten Ebenen in kontrastreichen Farben.

Schlang aufragender Wacholder, Birken und Kiefern stehen im flachwelligen Sandboden und lassen Luft, um den Blick schweifen zu lassen. Der Kontrast zwischen den Kiefern und den Heideflächen ist sehr reizvoll und bietet Naturgenuss pur.

Da das Laufen auf den verschlungenen Sandwegen und Pfaden durch Heidekraut und Wacholderbüschen sehr anstrengend ist, stehen alle 50 bis 100 Meter Bänke, wo man sich immer wieder ausruhen kann. Diese Landschaft sorgt von selbst für Entschleunigung.

Das Naturschutzgebiet Westruper Heide ist die letzte größere Zwergstrauchheide in Westfalen. Diese besondere Landschaft ist ein wertvoller Rückzugsraum für eine Vielzahl heute seltener Tiere und Pflanzen.

Im urigen Biergarten „Jupp unner de Böcken“, nur wenige Meter vom Südufer des Stausees entfernt, lassen wir unseren Ausflugstag rund um den Halterner See mit bayrischen Spezialitäten und einem Weizenbier ausklingen.

 

Gemütlich unter einem dichten Blätterdach des Waldes sitzend, genießen wir die letzte Stunde unseres heutigen Tagesausflugs.

 

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