Entlang des Kanals geht`s nach Lippborg zum Kuchenessen
Die Landschaft entlang des Kanals und die nördlich parallel verlaufende Lippe ist sicherlich nicht so spektakulär wie die Touren entlang von Flüssen, die teilweise durchs Mittelgebirge fließen. Doch auch hier gibt es viel zu sehen wie z. B. technische Bauwerke, faszinierende Brücken, herrliche Bauernlandschaften und vor allem Naturschutzgebiete.
Deshalb haben wir uns auch diesmal wieder das Ufer entlang des Dattel-Hamm-Kanal ausgesucht, um zum Kuchenessen nach Lippborg zu fahren.
Wie meistens starten wir wieder an der Kleingartenanlage "Ahsetal, Holunderweg, im Hammer Süden. Wer mit dem Auto kommt, kann hier wunderbar für die Dauer der Radtour das Auto abstellen.
Wir starten in Richtung Hammer Kurpark. Links und rechts neben uns die zahlreichen Kleingärten folgen wir dem Holunderweg, fahren durch die Straße Ahseufer, überqueren die Ostenallee und sehen schon den Kurpark vor uns liegen.
Der Kurpark Bad Hamm ist für die Hammer Bevölkerung ein beliebtes und lebendiges Naherholungsgebiet. Man findet hier vor allem weitläufige Rasenflächen und jahrhundertealte Baumriesen, unter denen man sich am Wochenende bei Musik und guter Laune am Musikpavillon entspannen kann. Vorbei am Gradierwerk, links neben uns die Ahse, treffen wir nach einigen hundert Metern auf den Dattel-Hamm-Kanal.
Hier wird der Fluss Ahse durch einen Düker unter dem Datteln-Hamm-Kanal geführt und mündet direkt im Anschluss in die Lippe. Der rund 100 Jahre alte Ahsefluss-Düker soll in den kommenden Jahren durch einen parallel verlaufenden Neubau ersetzt werden. Dazu ist ein ca. 95 Meter langer Neubau geplant, der aus fünf Einzelrohren mit einem Durchmesser von 3,50 m bestehen soll. (Der Neubau wurde im Jahr 2019 durchgeführt.)
Hier geht es für uns nun rechts ab. Links neben uns der Kanal und recht´s immer noch der Hammer Kurpark mit den drei Kurparkteichen. Die Geschichte des Parks beginnt im Jahr 1883. Damals wurde zufällig bei der Suche nach Kohle heilsame Sole gefunden und das führte dazu, dass man in Hamm ein Sole-Thermalbad eröffnete. Heute sind diese Quellen leider längst wieder versiegt.
Unter riesigen Kastanien geht es für uns entlang der Adenauerallee in Richtung Schleuse Werries. Wir ü berqueren die Lippestraße, fahren in den Schleusenweg und sehen links neben uns schon die Schleuse Werries.
Bevor wir uns die Schleuse ansehen, bestaunen wir aber erst einmal den Hammer Schulwegsteg. Im Volksmund der Hammer, auch die Hammer "Golden-Gat-Bridge" genannt. Sie ist zwar etwas kleiner als das Vorbild in San Francisco, dafür aber älter. Außerdem dient sie nicht dem Autoverkehr, sondern nur Radfahrern und Schülern des Hammer-Ostens als Schulwegsteg.
Vor rund 100 Jahren wurde der Schulwegsteg gebaut und 1917 eröffnet. Ihre Erbauer orientierten sich dabei an den damaligen Hängebrücken in Breslau und der Deutzer Brücke in Köln. Seit 1990 steht diese Fußgänger- und Radfahrerbrücke unter Denkmalschutz.
Im Jahr 2011 wurde mit viel Geld auf der Südseite eine Rampe für Gehbehinderte und Rollstuhlfahrer gebaut, wobei auf der Nordseite nur Platz für einen Treppenabgang blieb mit einer viel zu steilen Spur für Fahrräder und Kinderwagen und für Rollstuhlfahrer total ungeeignet.
Wir stehen auf dieser Brücke und blicken zur Schleuse Werries. Obwohl sie nach dem Stadtteil Werries benannt ist, liegt sie nicht auf dessen Gebiet, sondern im Stadtbezirk Hamm-Uentrop.
Sie wurde von 1930 bis 1933 erbaut und ermöglicht die Nutzung des Kanals von Hamm bis Schmehausen.
Die Schleusenkammern bestehen aus etwa 9 m hohen Stahlspundbohlen und geschlossen werden die Kammern durch stählerne Stemmtore.
Im Jahr 2004 wurden an der Schleuse die Tore, der Antrieb und die komplette Steuerung ersetzt. Außerdem wurde eine Fernsteuerung installiert, um sie von der ca. 3,5 km entfernt liegende Schleuse Hamm zu bedienen. Für uns geht es nun weiter, immer rechts am Kanal entlang in Richtung Uentrop - Schmehausen.
Ob alte Bahntrasse oder wie hier am Kanal, überall sind in den letzten Jahren, gerade in Hamm, neue Radwege entstanden. Der Radweg hier am Kanal ist besonders attraktiv. Flach wie in Holland, nirgends geht es bergauf und bergab und besonders geeignet für Naturfreunde, wie wir es sind.
Kleine Bauernhäuser und erntereife Kornfelder, wohin man schaut, alles wunderbar in der Sonne leuchtend und dazwischen strahlende Mohnblumen, das ist die schönste Seite des Sommers.
Der östliche Teil des Datteln-Hamm-Kanals, an dem wir uns gerade befinden, wurde 1933 bis Schmehausen fertiggestellt, um die Kohle-Kraftwerke hier mit Kohle zu beliefern. Am Kohlekraftwerk Westfalen werden wir etwas später noch vorbei kommen.
Jetzt stehen wir erst einmal an einer Besonderheit am Kanal.
Elektrische Fischscheuchanlage, für uns etwas ganz Neues.
Im Internet habe ich mich daraufhin etwas schlaugemacht und erfahren, dass durch die ins Wasser eingetauchten Elektroden ein elektrisches Impulsfeld erzeugt wird.
Hiermit sollen Fische verscheucht werden. Solche Anlagen werden am Zufluss zu Wasserturbinen oder Kühlwasserentnahmestellen von Kraftwerken eingesetzt.
Dem Kanal weiter folgend, fahren wir unter die A2 (Autobahn Hannover - Oberhausen) und verlassen nun das Kanalufer.
Mit einem Hafenbecken für das Kohlekraftwerk Westfalen endet hier in Schmehausen auch der Kanal. Geplant war ursprünglich, den Kanal bis nach Lippstadt zu verlängern. Der Weiterbau wurde aber nicht mehr realisiert.
Noch heute sind hier bei Vellinghausen am Eilmsener Wald, deutlich die alten Brückenfundamente aus dem Jahr 1932 für den Kanalbau zu erkennen.
Etwas weiter haben wir dann auch erstmals einen guten Blick auf das Pleiten, Pech und Pannen Kohlekraftwerk Westfalen. Es besteht aus einem 2014 neu errichteten Block mit 800 MW. Ein ebenfalls neu gebauter Steinkohleblock wurde aufgrund schwerwiegender technischer und wirtschaftlicher Probleme im Jahre im 2015, noch in der Inbetriebnahmephase stillgelegt. 23 Stadtwerke waren bis 2015 an diesem Kraftwerk beteiligt. Seit 2016 ist der Energiekonzern RWE alleiniger Gesellschafter der Steinkohle Hamm (GSH).
An der Kreuzung Schulstraße / Brauckstraße kommen wir dann am Heimathaus Vellinghausen/Eilmsen vorbei. Gegründet wurde dieser Heimatverein 1987.
Wer das Heimathaus besichtigen möchte, hat von Mai bis September an jedem 3. Sonntag im Monat von 11.00 bis 14.00 Uhr die Möglichkeit dazu.
Vorbei an der Burg Vellinghausen, die zu einer besonderen Sehenswürdigkeit der Römerroute gehört (die Burg ist in Privatbesitz und eine Innenbesichtigung ist daher nicht möglich), geht es weiter zu einem Highlight dieser heutigen Radtour.
Wir erreichen nach gut 1,5 Stunden die Lippeaue westlich von Lippborg . Die Lippe durchfließt hier langsam die Aue und wird von zahlreichen Teichen und kleinen Sümpfen begleitet. Kleine Bäche versorgen die Flussaue an manchen Stellen noch zusätzlich mit Wasser.
In dieser Auenlandschaft, in der sich noch einige naturnahe Lebensräume mit seltenen Tieren und Pflanzen erhalten haben, machen wir eine längere Pause um die absolute Ruhe zu genießen.
"Die Vogelgucker" steht am Eingang zum Aussichtsturm. Hier in der Disselmersch kann man sie häufig antreffen. "Was sind das für Leute mit Feldstechern, Fernrohren und Teleobjektiven - Was gucken die nur"? Vögel beobachten und fotografieren ist ihr ganz besonderes Hobby. Heute gehören wir selbst dazu, zu den Vogelguckern, denn erhöhte Aussichts- und Beobachtungspunkte laden gerade dazu ein, hier die lebendige Natur zu beobachten. Lippeaue bei Lippborg
Aufgrund der besonderen ökologischen Bedeutung der Lippeaue wurde ein rund 600 Hektar großer Abschnitt zwischen Welver und Hamm als FFH-Gebiet Lippeaue von der Europäischen Union geschützt.
Langsam freuen wir uns jetzt aber auch auf unseren wohlverdienten Kuchen, schließlich war ja das Café Goldstein in Lippborg unser heutiges Tagesziel. Also weiter, die restlichen Kilometer schaffen wir auch noch.
Von Weitem sehen wir dann auch schon die Kirche von Lippborg. Einige 100 Meter noch entlang der B 475, wir überqueren die Lippe und sehen vor uns schon die Firma Bessmann mit dem Café Goldstein.
Zwischen urigen Fachwerkhäusern inmitten liebevoll gestalteter Bauerngärten genießen wir nun unseren Kuchen und den dazu gehörigen Kaffee. Wer Interesse hat, kann sich hier bei Bessmann anschließend auch noch neu einkleiden lassen. Auf rund 1.800 qm Verkaufsflächen wird hier ein riesiges Modesortiment zu besonders günstigen Preisen angeboten. Gut, dass wir nur mit dem Fahrrad hier sind.
Gestärkt können wir nun auch wieder den Heimweg antreten.
Vorher geht es aber noch in den Ortskern von Lippborg mit der denkmalgeschützten katholischen Pfarrkirche St. Cornelius und Cyprian.
Im Internet kann man lesen, dass die damals baufällige Kirche 1856 abgerissen wurde und 1857 durch den Bischof Johann Georg Müller der Grundstein für die neue Kirche gelegt wurde.
Jetzt geht es aber wirklich wieder zurück in Richtung Heimat.
Vorbei am Denkmal für Clemens August Graf von Galen, am Ortseingang von Lippborg, geht es wieder in Richtung Disselmersch durch die Lippeaue bei Lippborg.
Clemens August, Graf von Galen (1878-1946), ist in Lippborg sehr bekannt, denn er besuchte hier auf Schloss Assen sehr oft seine Familienangehörigen.
Man kennt ihn hier auch unter dem Beinamen "Der Löwe von Münster", den er wegen seiner damalig, gewagten Kritik am NS-Staat erhielt.
Zurück nehmen wir erst einmal den gleichen Weg, den wir auch gekommen sind. Sind wir auf der Hinfahrt noch in Lippborg-Heintrop, am alten Bahnhof vorbei gefahren, so machen wir diesmal hier einen kleinen Zwischenstopp.
Hier in Lippborg-Heintrop ist der Endbahnhof der Museumseisenbahn Hamm e. V., die von den Hammer Eisenbahnfreunden betrieben wird. Zu bestimmten Terminen verkehren auf der 18,7 km langen Strecke heute noch historische Züge.
Mit Dampf- oder Diesellok fährt man vorbei am Maximilianpark, Hamm-Uentrop, durch die Lippeaue bis nach Lippborg-Heintrop, wo noch der alte Landbahnhof aus den 50er Jahren steht.
Wir setzen unsere Fahrradtour durch das Naturschutzgebiet „Disselmersch“ vorbei an Hangfort, links ab über den Radweg bis nach Vellinghausen fort, und kurze Zeit später erreichen wir auch schon das Gasthaus Schlotmann. Statt rechts, aus dieser Richtung sind wir auf der Hinfahrt gekommen, geht es für uns nun weiter nach Eilmsen.
Der Landstraße weiter folgend, vorbei an blühenden Wiesen und duftenden, üppig wachsenden Kornfeldern und unter riesigen Stromleitungen hindurch, hinter uns ist immer noch das Kohlekraftwerk Westfalen zu sehen, geht es bis nach Frielinghausen.
Am Horsthölterweg überquerren wir die Autobahn A2, blicken auf die dahin rasenden Autos sehen für heute letztmalig am Horizont das Gas- und Dampfkraftwerk in Hamm-Uentrop und auf der anderen Seite nochmals das Kohlekraftwerk Westfalen.
Bei einem Ausflug aufs Land, so wie wir es heute mit dem Fahrrad gemacht haben, darf man auch einmal die Seele baumeln lassen und eine Pause mehr einlegen. Deshalb haben wir uns als letztes Ziel das Gast- und Brauhaus Wilshaus an der Baumstraße in Braam-Ostwennemar ausgesucht.
Seit 1993 wird auf diesem Hof Gastronomie mit vielfältigem Angebot für jedermann betreiben. In den Sommermonaten herrscht hier immer eine einmalige Biergartenatmosphäre. Für Ausflügler wie uns Fahrradfahrern, aber auch Wanderer und Motorradfahrer gibt es ein breites Angebot und es lohnt sich hier immer, eine Pause einzulegen. Bei einer kleinen Zwischenmahlzeit mit Flammkuchen und einem hauseigenen, herzhaften frischen, naturtrüben Bier lassen wir hier nun langsam den wunderbaren Tag ausklingen.