„Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah“.
Die ZwAR-Wandergruppe Hamm-Mitte II heute auf Radtour durch das romantische Ruhrgebiet.
Unser Ruhrgebiet hat eine Menge, gerade für uns Fahrradfahrer, zu bieten. Wer hier im Ruhrgebiet aufs Rad steigt, lernt die Region mal von einer ganz anderen Seite kennen. Vom Sattel aus hat man einen völlig anderen Blick und man sieht, wie grün die Gegend hier ist, sagt unser heutiger Tourexperte Dr. Roggenbruck.
Gemeinsam mit ihm wollen wir Wanderer heute, diesmal mit dem Fahrrad, einige der schönsten Ziele dieser Region kennenlernen.
Die ZwAR-Wandergruppe vor Schloss Herten
Tatsächlich hat sich das Ruhrgebiet in den vergangenen Jahren zunehmend zum Radfahrgebiet gemausert. Zahlreiche gut ausgebaute Fahrradwege wie z. B. der Bahntrassen-Radweg „Allee des Wandels“, den wir heute auch befahren, bewegen immer mehr Menschen, das teilweise neue Ruhrgebiet mit dem Rad zu erkunden.
Für uns begann der heutige Tag, am 4. Mai 2023, 9:30 Uhr, mit einer gemeinsamen Zugfahrt von Hamm nach Herne, wo uns am Bahnhof unser Tourexperte Dr. Roggenbruck schon erwartete. Nach einer kurzen Begrüßung ging es auch sofort los in Richtung Wasserschloss Strünkede, was wir nach einigen kräftigen Tritten in die Pedale auch schnell erreichten.
Die Schlossanlage liegt mitten in einem grünen Schlosspark und dient der Bevölkerung als beliebtes Erholungsgebiet mit Spiel- sowie Sportanlagen. Das Schloss selbst ist vollständig von einem Wassergraben umgeben und daher geht es für uns über eine Brücke, um so in den Innenhof zu gelangen.
Urkundlich erwähnt wird eine Burg Strünkede erstmals im Jahr 1243. Damals wurde sie von den Herren von Strünkede errichtet. Die Burganlage war damals wie heute mit Türmen und wassergefüllten Gräben ausgestattet und der große Schlossteich ziert heute noch den Schlosspark.
1896 wurde das von Bergsenkungen stark in Mitleidenschaft gezogene Schloss von den damaligen Besitzern an die Harpener Bergbau AG verkauft. Sie selbst zogen in eine neu erbaute Villa im Schlosspark um, in der sich die heutige Städtische Galerie befindet.
Seit 1947 gehört das Schloss der Stadt Herne und beherbergt heute einen der drei Standorte des kulturhistorischen Emschertal-Museums.
Unmittelbar neben dem Schloss liegt die Schlosskapelle, die in Teilen aus dem 13. Jahrhundert stammt und damit sogar das älteste erhaltene Bauwerk der Stadt ist.
Bereits lange Zeit vor der Industrialisierung der Stadt wurde diese kleine Kapelle in Herne errichtet.
Sie gehört nach einer wechselvollen Geschichte heute der Stadt Herne und ging zusammen mit dem Schloss Strünkede in das Eigentum der Stadt über.
Bei der Weiterfahrt überqueren wir den Rhein-Herne-Kanal und stehen nun vor dem Stadthafen Recklinghausen, dem wohl kleinsten Hafen einer europäischen Großstadt. Er ist ein einzigartiger Naherholungsstandort für die Bürger und Besucher der Stadt Recklinghausen.
Ein beeindruckender Mix aus Industriekulisse mit historischem Hafenkran und dem Restaurant „Stadthafen“, mit einer großzügigen Terrasse und der Strandbar auf feinem Sand, bietet der Stadthafen bei jedem Wetter „Beach Flair“.
Entlang des „AktivLinearPark“ an der Stadtgrenze Herten/Recklinghausen radeln wir von hieraus weiter zur Halde Hoheward. Bis zur Eröffnung des „AktivLinearParks“ war die Halde Hoheward nur über die Nord-, West- und Ostzugänge erschlossen. Entlang ehemaliger Bahnschienen wurde auf einer Strecke von 1,5 Kilometern ein barrierefreier Fuß- und Radweg gebaut. Nun ist sie auch aus südlicher Richtung gut zu erreichen, so wie wir es heute mit dem Fahrrad machen.
Kurze Zeit später erreichen wir auch schon den Landschaftspark Hoheward und sehen rechts neben uns die Drachenbrücke auf der Halde Hoheward. Serpentinenmäßig geht es nun immer etwas Bergauf, bis wir den Balkon mit der Nummer „4“ erreichen. Von hier hat man einen wunderbaren Blick auf das Horizont-Observatorium. Über eine Steintreppe kann man von hieraus das Observatorium erreichen.
Die Bergehalde Hoheward ist genau wie die zahlreichen anderen Halden aus dem Tiefbau des Bergbaus, insbesondere aus dem Steinkohlenbergbau entstanden. Diese menschengemachten Hügel bzw. „Berge“ formen weithin sichtbar das Landschaftsbild in den Steinkohlerevieren, vor allem im Ruhrgebiet.
Die Halde Hoheward entstand aus Schüttungen der Zeche Recklinghausen II, der Zeche Ewald und der Zeche General Blumenthal/Haard. Die höchste Stelle der Halde hat eine Höhe von 152,5 m ü. NN.
Die Halde bietet auf der Balkonpromenade die Möglichkeit, auf einer Länge von rund 6,4 km, die komplette Halde zu umrunden und an den verschiedensten Stellen die Aussicht in jede Himmelsrichtung zu genießen.
Für uns geht es weiter zum Aussichts-Balkon 1. Die „Ewald-Empore“, ist ein stählerner Aussichtsturm, von dem sich ein sehr guter Blick auf das ehemalige Zechengelände und das Stadtzentrum von Herten bietet.
Vor uns, am Fuße der größten Haldenlandschaft Europas, liegt die Zeche Ewald. Noch bis ins Jahr 2000 wurde hier Kohle gefördert. Gegründet wurde sie im Jahre 1871 und entwickelte sich seitdem zu einer der produktivsten Zechen des Ruhrgebiets, auf der bis zu 4.000 Bergleute gearbeitet haben.
Wir blicken von der Ewald-Empore auf drei Zechengebäude die von der bewegten Geschichte der Zeche zeugen: „Dem Malakowturm von 1888, dem Schacht 2 mit Schachthalle von 1928 und auf dem Zentralschacht 7 von 1955“.
Neben der Ansiedlung verschiedener Firmen wie das Wasserstoff-Kompetenzzentrum vorn rechts im Bild und dem Besucherzentrum Hoheward ist die ehemalige Zeche Ewald auch Standort des Revuepalast Ruhr.
Wo einst richtig malocht wurde, ist heute Entspannen angesagt. Der Revuepalast ist eine der größten Theaterbühnen des Reviers und bietet Travestieshows der Extraklasse.
Ausgangspunkt für die meisten Besucher des Landschaftspark Hoheward ist das Besucherzentrum Hoheward auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Ewald. Hier findet man die Informationen, die sie für einen Besuch benötigen. Publikationen, Führungen, Veranstaltungen, Ticketverkauf, Radkarten, Bücher, Souvenirs und vieles mehr wird hier angeboten.
Gar nicht weit vom Landschafspark und Besucherzentrum Hoheward erreichen wir etwas später auch schon den Schlosspark Herten.
Zwischen 1687 und 1702 als strenger Barockgarten angelegt, wurde er in den Jahren 1814-1817 zu einem englischen Landschaftspark umgestaltet.
Mit seinen seltenen Baumriesen und den malerischen Schlossteichen ist er heute ein beliebtes Naherholungsgebiet für Besucher von nah und fern. Zu jeder Zeit ist der Hertener Schlosspark ein interessantes Ausflugsziel für die ganze Familie.
Hier im Schlosspark stellten wir erst fest, was für ein Glück wir mit dem Wetter heute hatten. War das diesjährige Frühjahr 2023 doch überwiegend von Tiefdruckgebieten, vielen Wolken und ergiebigen Regen geprägt, lachte heute die Sonne für uns. Die Sonnenstrahlen legen sich über die Wiesen des Hertener Schlossparkes und lassen alles frisch und unberührt erscheinen.
Das Schloss Herten, 1376 erstmals urkundlich erwähnt, ist ein Wasserschloss und wird durch eine ausgedehnte Gräfte eingebettet. Die heutigen Gebäude stammen aus dem
16. und 17. Jahrhundert.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Schloss als Wohnsitz aufgegeben und verfiel zusehends und später drohte es durch Bergwerksschäden einzustürzen. Eine Sanierung durch
den Landschaftsverband Westfalen-Lippe von 1974 bis 1989 bewahrte die spätgotische Anlage aber vor dem völligen Verfall. Seitdem werden einzelne Gebäude der Anlage
als Sozialzentrum und Tagesklinik des benachbarten Landeskrankenhauses genutzt.
Wir stehen hier im Schlosspark an der Gräfte und haben ebenfalls einen wunderbaren Blick auf die von uns aus links neben dem Schloss stehende Schlosskapelle. Die Schlosskapelle stammt aus dem 14. Jahrhundert und stand ursprünglich bei Schloss Grimberg, im heutigen Gelsenkirchener Stadtteil Bismarck. Dort wurde sie 1908 Stein für Stein abgebaut und auf dem Vorburgareal des Schlosses Herten originalgetreu wieder abgebaut. Heute steht die Schlosskapelle gemeinsam mit dem Schloss unter Denkmalschutz.
Weiter geht es für uns ins „Alte Dorf“ Westerholt. Hier reihen sich im adrett gepflegten Dorfkern würdevoll aneinandergereiht: „Alte, liebevoll restaurierte Fachwerkhäuser mit ihren hellen Fassaden und die hier und da grün gestrichenen Fensterläden, lockern keck das klassische Aussehen auf“.
Wir radeln durch die frühere „Freiheit Westerholt“ (Altes Dorf) mit ihren rund 60 gut erhaltenen Fachwerkhäusern. Es geht vorbei am Restaurant „Alt Westerholt“, weiter durch die Martinistraße mit der Schlosskapelle und dem blumenübersäten „Neumann`s Hof“, bis wir dann etwas später vor der Kirche St. Martinus stehen. Die 1901 bis 1903 von Aloys Kersting in Formen der rheinischen Spätromantik geschaffene katholische Pfarrkirche St. Martinus ist ein denkmalgeschütztes Kirchengebäude in der Schloßstraße in Westerholt.
Unweit vom historischen Ort Westerholt befindet sich in idyllischer Lage, das im 19. Jahrhundert erbaute und 1993 komplett renovierte Wasserschloss Westerholt, heute ein Hotel in bester Lage. Das von Gräften umschlossene Wasserschloss ist bis heute der Stammsitz des Grafengeschlechts von Westerholt, das hier bereits 1193 erstmals urkundlich erwähnt wird.
Das Herrenhaus des Schlosses beherbergt heute ein Hotel, während die Nebengebäude früher Stallungen und Remisen, als Restaurant und Café genutzt werden.
Ein Blick zurück nach Westerholt und dann geht es für uns entlang der alten Bahntrasse “Allee des Wandels“ weiter.
Wir radeln an einer weiteren großen Hertener Zechenanlage, der Schachtanlage „Schlägel und Eisen“ vorbei.
Von den drei Fördergerüsten der ehemaligen Zeche stehen heute noch zwei, und zwar das 37 m hohe rote, dreibeinige Strebengerüst über Schacht III und das 64 m hohe weiße Stahlkastengerüst über Schacht IV. Der weiße Förderturm, der Hauptförderschacht 4, hat eine Tiefe von 1240 m. Neben den Fördergerüsten prägen zwei Grubenlüfter das Profil des Bergwerkes.
Das Gerüst über dem Schacht VII wurde zusammen mit der zugehörigen Schachthalle in den 2010er Jahren abgerissen.
Auf dem 1990 stillgelegten Bergwerk waren zur Hochkonjunktur des Bergbaues, hier im Ruhrgebiet, bis zu 5000 Arbeiter beschäftigt, viele davon aus der Türkei.
Nun verabschieden wir uns von Herten und radeln nach Recklinghausen, wo unsere heutige Radtour endet.